Sogenannte
Konjunktur-Zyklen
Volkswirtschaftler und
Politiker bauten auf fehlgedeuteten Rechen-Ergebnissen
Starke Stücke aus Schilda, wiewohl als solche
unerkannt, sind sogenannte Konjunktur-Zyklen. Danach bewegt sich eine Volkswirtschaft
in regelhaften Auf- und Abschwüngen, die sich etwa alle sieben Jahre
wiederholen.
Periodische Vorgänge lassen sich als solche durch
rechnerische Verfahren ermitteln, die man Fourier-Transformationen nennt.
Voraussetzung dafür ist, daß Zahlen-Reihen vorliegen, die als Indikator für
einen zeitlichen Ablauf wie der Gang der Konjunktur vorliegen. Dazu benutzen
Wissenschaftler aus den Anwendungs-Gebieten der Mathematik meist vorgefertigte
Programme in Gestalt von Software-Paketen, die sich durch einige Maus-Klicks
ausführen lassen.
Die Beurteilung der Ergebnisse verlangt jedoch
öfter zusätzliche Kenntnisse zu dem Verfahren, über die Anwender selten
verfügen. Fourier-Transformationen werfen unter gewissen Umständen Frequenzen
aus, die ein regelmäßiges Geschehen mit langer Periode nahe legen, aber auf
sehr kurzfristigen Vorgängen beruhen. Diese Erscheinung heißt Maskierung oder
Denglisch „Aliasing“. Sie hat unkundige Forscher bei der Beurteilung von
Konjunktur-Daten auf die falsche Fährte gelockt.
Auf dem
Holzweg
Es leuchtet jedermann ein, daß der Gang der
Wirtschaft eine wöchentliche, also sieben-tägige Periode aufweist. Am Samstag
und Sonntag sind die Börsen geschlossen. Auch anderwärts ruht vielfach die
Arbeit. Untersucht man einen mehrjährigen Zeitraum auf Regelhaftigkeiten, so
tritt die Arbeitswoche maskiert als Sieben-Jahrs-Rhythmus auf. Mit dem
mathematischen Verfahren offenbar unzureichend vertraute Volkswirtschaftler
schlossen daraus irrtümlich auf einen Zyklus der Konjunktur mit siebenjähriger
Periode.
Als der Sozialdemokrat Karl
Schiller von 1966 bis 1972 Minister der ersten großen Koalition der
Bundesrepublik Deutschland war, berief sich die Regierung mehrfach auf den
mutmaßlichen Zyklus. Somit wurde eine der größten Volkswirtschaften der Erde
jahrelang mit Maßnahmen gelenkt, die auf Verkennung von Rechen-Ergebnissen
beruhten. Gründete sich der Glaube doch einzig darauf, daß am Wochenende meist
nicht gearbeitet wird.Professor Karl Schiller, Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, erster Superminister der Bundesrepublik Deutschland (Foto Bundesarchiv) |
Man hielt es für geraten, Täler der Konjunktur
durch vermehrte Staatsausgaben zu vermeiden. Bei Aufschwüngen galt es die
Gelder wieder abzuschöpfen. Davon versprach man sich einen ausgeglichenen Gang
der Geschäfte. Dank des damaligen, recht robusten Wirtschaftswunders überstand
das Land die Maßnahmen ohne erkennbare Schäden.
Sogenannten Verstandes-Menschen dürfte ein solches
Stück aus Schilda vielleicht unglaubhaft vorkommen. Es findet sich indessen
mindestens ein nachprüfbarer Niederschlag im mathematischen Schrifttum. Zweifler
können sich davon bei Rainer Schlittgen und Bernd Streitberg überzeugen. In
ihrem Buch „Zeitreihenanalyse“(als link), erschienen 1991 in München, finden
sich auf Seite 49 entsprechende Hinweise.
Regel oder
Ausnahme
Bei solchen Fehlleistungen handelt es sich
keineswegs um seltene Ausnahmen, wie mancher womöglich annehmen könnte.
Statistische Daten unterliegen vielmehr in der Regel irrtümlichen, aber auch
absichtlichen Mißdeutungen. Die Ursachen sind indessen selten bei den
Statistikern zu suchen. Deren Handwerk kennzeichnet ein hochanständiges und
äußerst gewissenhaftes Vorgehen. Politiker sind in dieser Hinsicht weniger
pingelig.
So hatte der Freidemokrat Rainer Brüderle als
Wirtschaftsminister einer schwarzgelben Koalition von 2009 bis 2011 eine Studie
über Kranken-Versicherungen in Auftrag gegeben. Davon erhoffte er sich ein
vorteilhafteres Bild der privaten gegenüber den gesetzlichen. Das Gegenteil kam
dabei heraus. Also sperrte Brüderle das Papier in den Giftschrank.
Zu seinem Leidwesen erschien eine Kopie der Studie
auf der Weltnetzseite von Wikileaks. Wahlspruch: „Wir zeigen es den Politikern“.
Dort konnte sich jedermann das Dokument herunter laden.
Bei derart willkürlichem oder auch nachlässigem
Umgang mit Zahlen und Aufstellungen verwundert es wenig, wenn
Wirtschafts-Theorien selten ihr Papier wert sind, auf dem sie stehen. Um das zu
erkennen braucht man kein Statistiker oder Mathematiker zu sein. Ausreichend
darüber verrät ein Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Das Land gilt
als Hochburg des Kapitalismus. Die Nobel-Preise für Volkswirtschaft wandern mit
großer Regelmäßigkeit dorthin.
Zugleich stecken die USA
bei der Volksrepublik China bis zum Anschlag in der Kreide. Das Reich der Mitte
ist ausgerechnet das Land mit der straffsten und obendrein kommunistischen
Planwirtschaft. Ja, ja, heißt es dazu. Aber die Chinesen verunreinigen die
Umwelt so sehr. Doch das machen die Amerikaner auch. Beim Ausstoß von CO2
liegen sie unbestritten weltweit an der Spitze.Opfer der Ölpest von 2010: Verschmutzte Pelikane (Foto International Bird Rescue) |
Vor ihrer Haustür kam es zur größten Ölpest der
Geschichte, als im April 2010 die Bohr-Plattform „Deepwater Horizon“ im Golf
von Mexiko geschätzte 800 Millionen
Liter Rohöl austraten.
Aus dem
Kaffeesatz gelesen
Auch die täglichen Börsenberichte im Fernsehen
kommen vielen Zuschauern wie Kaffeesatz-Leserei vor. Dort versuchen
Berichterstatter Auf- oder Niedergang des Dax oder einzelner Aktien-Kurse an
allerlei Wirtschafts-Meldungen fest zu machen wie Auftragslage der Industrie
oder Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt. Auch politisches Geschehen wird für
Plus und Minus verantwortlich gemacht.
Besonders erheiternd wirken
die Klimmzüge der Reporter, wenn die mutmaßlichen Daten der Konjunktur
einheitlich nach oben zeigen und zugleich die Börse in den Keller geht. Dann
ist von Gewinn-Mitnahmen die Rede, weil angeblich Ängste vor einem jähen
Abbruch der Schön-Wetter-Lage umgehen.
Makler an der Neu Yorker Börse (Foto fr.wikipedia) |
Es ist indessen kein einziges wissenschaftlich
Verfahren bekannt, das einen Zusammenhang von Börsenkursen mit den genannten
Ereignissen belegt. Nach der Lehre von der Wahrscheinlichkeit bildet das Auf
und Nieder vielmehr eine Irrfahrt, Denglisch „Random Walk“ genannt. Danach
entwickeln sich die Kurse sogar ohne Bezug zu dem bisherigen Verlauf. Das
heißt, eigentlich weiß niemand, ob Nennwerte der Papiere wegen besagter
Rahmenbedingen steigen, fallen oder sich ganz unabhängig davon bewegen.
Ein triftiger Grund könnte
vielmehr darin bestehen, daß eine Holding einen unliebsamen Mitbewerber zu
Grunde richten will und deshalb den Markt mit bestimmten Papieren überschwemmt
oder sie aufkauft. Doch das wäre dann das berüchtigte „Insider“-Wissen, das zu
nutzen sträflich oder mindestens verpönt ist.
copyright©2014 Volker Wittmann
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